»Jung, Makellos, Perfekt«
Eine performative Klischeeschlacht
Ein junger Mann. Er schminkt sich. Er erzählt von ihn plagenden Doppelkinnen, Kieferfehlstellungen und Affenhaarbeinen. Ein langer Leidensweg, aber jetzt ist er schön. / Zwei Frauen. Die eine badet in Zucker und isst ihn dabei halb auf. Die andere notiert die verwendete Zuckermenge samt derer Kalorienanzahl. / Eine Frau. Eine übergroße Niveadose. Zur projizierten Cremeanleitung für den perfekten Crememoment wird gecremt, bis keine Körperstelle mehr frei ist und das Publikum herhalten muss. / Eine Rokokodame. Sie schnürt das Mieder, bis die Taille der einer Wespe gleicht. / Eine fast nackte Frau. Frischhaltefolie wird um ihren Körper gewickelt und zum Glück ein kleines Atemloch gelassen…
Den solistischen Szenen, in denen die Spielerinnen und Spieler an ihre körperlichen Grenzen gehen und dabei große Professionalität zeigen, folgen chorische Momente:
Zusammen wird Aerobic gemacht, bis alle zusammenbrechen (ein Hinweis am Rande: Warum müssen es immer die Männer sein, die dafür herhalten müssen, dass einige Menschen eben nicht für Aerobic gemacht sind?!), es wird in meditativer Runde das eigene Körperfett von sich geatmet oder der anfänglich lecker klingende Diätplan weggekotzt. Zum Schluss wird noch Barbie entlarvt, genauso wie der Fitnesspriester, das englische Fitnessshopping und das Abnehmpflaster.
Jung, Makellos, Perfekt – so ganz kauft man den jungen, dynamischen und schönen Menschen auf der Bühne ihre Probleme mit dem Perfektseinszwang nicht ab. Was man ihnen abkauft – und das ist großartig! – ist, dass sie verstehen und genießen, was sie auf der Bühne tun. Ihre Szenencollage zeigt, dass auch Schultheater sich an performative Theaterformate wagen und damit glänzen kann. Danke dafür.
Von Lisa Degenhardt